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Hybride Veranstaltungen

„Hybrid“ wird in der Hochschullehre für die unterschiedlichsten Kombinationen aus digitalen und Vor-Ort-Elementen verwendet - von Blended Learning bis hin zur hybriden Hochschule, bei der manche Module digital, manche vor Ort stattfinden (vgl. Gumm & Hobuß 2021)

An der TH Nürnberg verwenden wir „Hybride Lehre“ als Bezeichnung für eine synchrone Lehrveranstaltung, bei der eine virtuelle ebenso wie eine Vor-Ort-Teilnahme möglich ist. Die Studierenden sind also zum Teil vor Ort, zum Teil im virtuellen Raum. Ebenso kann sich die Lehrperson entweder vor Ort oder im virtuellen Raum befinden.

Das klingt sehr kompliziert und nach großem Mehraufwand bei der Umsetzung. Es stellt sich dementsprechend die Frage, welchen Mehrwert ein hybrides Setting im Vergelich zur Online- und/oder Vor-Ort-Lehre bietet - oder ob überhaupt ein Mehrwert besteht.

Warum bzw. Wann sollten wir hybride Lehre anbieten?


Teilhabe ermöglichen

Sowohl bei einer virtuellen Lehrveranstaltung als auch bei einer Lehrveranstaltung, die vor Ort stattfindet, gibt es oft Studierende, die nicht teilnehmen können. Sei es aufgrund von Lebensumständen, eingeschränkter Zugänglichkeit (z.B. techn. Ausstattung), Fragen der Studienorganisation (z.B. Wegzeiten) oder anderer Diversitätsmerkmale.
Um allen die Möglichkeit eines Studiums zu geben, bemühen wir uns um eine inklusive Lehre. Ein erfolgreiches Studium soll von den eigenen Leistungen, von Fähigkeiten, Neigungen und Engagement abhängen, nicht jedoch von Heterogenität bei Bildungshintergrund, Lebenssituation oder gesundheitlichen Einschränkungen.

(Interaktive) Hybride Lehre im Sinne eines blended synchronous learning (vgl. Hastie et al. 2010) ist eine Variante, um Teilhabe zu ermöglichen. Sie ist umso relevanter, je entscheidender eine aktive Teilnahme an der Veranstaltung für die Erreichung der Lernziele ist.

→ Welche Ziele werden mit der Vor-Ort-Teilnahme an der synchronen Veranstaltung verfolgt: Zielt sie vor allem auf die Entwicklung persönlicher und sozialer Kompetenzen ab? Welche Rolle spielt die Veranstaltung im Studienverlauf?
→ Inwieweit können diese Ziele auch über eine virtuelle Teilnahme erreicht werden, wie entscheidend ist die Anwesenheit vor Ort?
→ Genügt es ggf. auch, dass die Studierenden sich in Ausnahmefällen über Selbstlernmaterialien, Aufzeichnungen oder Live-Streaming mit den Veranstaltungsinhalten befassen, also überwiegend selbstgesteuert arbeiten?

Die Entscheidung für hybride Lehre aus Gründen der Teilhabe sollte aus didaktischen Überlegungen heraus geschehen.
Das richtungsweisende Auswahlkriterium ist, allen Studierenden möglichst gleichermaßen gute Lernumgebungen anzubieten, mit denen sie die von Ihnen angestrebten Lernerfolge auf fachlicher Ebene im Semesterverlauf erreichen können.

Im besten Fall schließt dies auch die Ziele zur überfachlichen, zum Beispiel persönlichen oder sozialen, Kompetenzentwicklung ein.

Bei Vor-Ort-Lehre kann mit einem hybriden Setting eine virtuelle Teilhabe ermöglicht werden. Bei Online-Lehre kann ein hybrides Setting die Teilhabe vor Ort, also zum Beispiel vom Hörsaal oder Seminarraum aus, ermöglichen. Das hybride Setting dient jeweils als Anreicherung der Vor-Ort- bzw. der Online-Lehre.

Integrierte hybrider Lehre

Hybride Lehre kann ein Instrument der Anreicherung sein, um Teilhabe zu ermöglichen. Gelingt es, die virtuell und die vor Ort Teilnehmenden zu vernetzen und Lehrmethoden zu wählen, die virtuelle ebenso wie vor Ort Teilnehmende erfordern, dann wird hybride Lehre als integrierte hybride Lehre oder echtes blended synchronous learning (vgl. Hastie et al. 2010) zum Lehrkonzept - zum didaktischen Gestaltungsprinzip über den Semesterverlauf hinweg.

Im Sinne der ursprünglichen Bedeutung von hybrid („Hybrids are not de novo objects composed entirely anew, but are rather inter alia objects, composed through the recombination of existing elements.“ Battilana & Lee 2014, S. 400) sind der virtuelle Raum und der Raum vor Ort beide relevant für das Konzept. Kein Raum kann entfallen, ohne dass dies massive Auswirkungen auf das Gesamtkonzept hat.

Über die reine Ermöglichung einer Teilhabe hinaus besteht bei integrierter hybrider Lehre also der Anspruch der methodischen Verzahnung der virtuellen Gruppe und der Vor-Ort-Gruppe.

Essenziell sind in jedem Fall die folgenden Bedingungen:

  • Sie können Ihre Studierendengruppe überblicken und sind nicht mit technischen Anpassungen abgelenkt
  • Sie können Ihre Lehrveranstaltung vor Ort, orientiert an Ihren (Lern-)Zielen, angemessen durchführen
  • Sie haben die Möglichkeit auf zugeschaltete ebenso wie vor Ort anwesende Studierende zuzugehen (z.B. direkte Ansprache, Chat)
  • Zugeschaltete ebenso wie vor Ort anwesende Studierende können dem Veranstaltungsverlauf folgen (Audio, Video)
  • Zugeschaltete ebenso wie vor Ort anwesende Studierende können sich einbringen (z.B. Wortmeldung / Fragen im Chat, die in bestimmten Zeitfenstern beantwortet werden / Live-Rückmeldungen per Backchannel / etc.)

(Aktive) Vor-Ort- und Online-Gruppen machen ein hybrides Lehrkonzept aus. Ziel ist also, dass die Vor-Ort-Gruppe nicht nach und nach in den virtuellen Raum wechselt und dass die virtuell Teilnehmenden sich über passive Anwesenheit mit schwarzen Kacheln hinaus aktiv beteiligen. Dafür ist es wichtig, dass der Mehrwert und die Ziele der jeweiligen Teilnahmeform transparent sind. Mit Hilfe einer Abfrage über die Art der Teilnahme (vor Ort oder virtuell) zu Semesterbeginn bzw. regelmäßig für die Folgeveranstaltung kann außerdem Verbindlichkeit hergestellt werden. Gemeinsam festgelegte Spielregeln und die Vergabe spezifischer Rollen können die Eigenverantwortung der Studierenden für den Erfolg der Veranstaltung hervorstellen und diese Verbindlichkeit erhöhen. Dies umfasst auch einen Appell Ihrerseits, was Sie sich wünschen und was Ihnen wichtig für den Veranstaltungsverlauf ist.

Gerade bei einer virtuellen Teilnahme können die Studierenden selbst über Art und Tiefe der Teilnahme entscheiden. Bei eher rezeptiven Phasen (z.B. Lehrvortrag) kann eine passive Teilnahme in Ordnung sein. Bei Gruppenarbeiten kann es jedoch für aktiv Teilnehmende frustrierend sein, wenn „stumme schwarze Kacheln“ in der Gruppe eine Zusammenarbeit erschweren oder unmöglich machen. Sie können diese Situation entzerren, indem Sie passiv Teilnehmenden die Möglichkeit geben, aktive Phasen auszulassen:

  • Sie fragen per Handzeichen ab, wer in der folgenden Phase aktiv mitmachen möchte. Alle, die sich nicht melden, sammeln Sie - bzw. sammelns ich selbst - in einem eigenen Breakout-Room „passiv“, so dass sie die aktive Phase dort abwarten können, ohne zu stören.
  • Sie verschieben alle Teilnehmenden in einen Breakout-Room. Wer in der folgenden Phase aktiv mitarbeiten möchte, wechselt von selbst zurück in den Hauptraum und signalisiert auf diese Weise sein bzw. ihr Commitment.
  • Sie lassen die Teilnehmenden eigenständig in die Breakout-Rooms für die Gruppenarbeit wechseln. Zusätzlich gibt es einen Breakout-Room „passiv“. In diesen können alle wechseln, die sich nicht aktiv beteiligen möchten, bzw. verschieben Sie alle dorthin, die sich nicht selbst einem Breakout-Room zuordnen.

Für integrierte hybride Lehre, bei der beide Gruppen gleichermaßen im Veranstaltungskonzept berücksichtigt sind, ist es wichtig, ein Gefühl der Co-Präsenz (Bower 2014, siehe auch Zydney et al. 2019) zu schaffen. Online- und Vor-Ort-Gruppe agieren miteinander und werden mit ihren Besonderheiten in Lehrmethoden einbezogen.

Die Rolle der Online-Teilnehmenden kann z.B. sein:
  • Ein Video ansehen
  • Auf einem digtalen Whiteboard arbeiten
  • Zu Fragestellungen recherchieren
  • Einen Moodlekurs aktualisieren
  • Ein Stimmungsbild oder Feedback beisteuern (Icons, Emoticons)
  • Kurzantworten zuliefern (z.B. Chatgewitter)
Die Rolle der Vor-Ort-Teilnehmenden kann z.B. sein:
  • Untereinander diskutieren
  • Haptisch arbeiten mit Geräten, Modellen, Proben, …
  • An Pinnwand, Tafel oder Flipchart visualisieren
  • Gutes Teamgefühl und angenehme Arbeitsatmosphäre erzeugen
  • Sich im Lernort „Hochschule“ bewegen
  • Non-verbales Feedback an die/ von der Lehrperson

Diese Rollen können methodisch aufgegriffen werden, indem Online- und Vor-Ort-Teilnehmende arbeitsteilig in Gruppen arbeiten, deren Ergebnisse dann im Plenum zusammengeführt werden. Alternativ können Online- und Vor-Ort-Gruppen abwechselnd arbeiten, während die jeweils andere Gruppe Pause hat. Als dritte Möglichkeit bleibt die technisch herausforderndste Variante „echter“ hybrider Gruppen, bei denen Online Teilnehmende und vor Ort Teilnehmende in einer gemeinsamen Gruppe sind.

Interaktiver Lehrvortrag
Ein interaktiver Lehrvortrag beinhaltet Phasen, um Fragen zu stellen, zu diskutieren oder kurz etwas anzuwenden.
Think-Pair-Share-Varianten

Arbeitsteilige Kleingruppen
Theoret. Input → Fragen sammeln/ Input Anwendungsbeispiel → Fragen beantworten
Problemstellung, ÜA o.ä. → Recherche zu theoret. Fragenstellung oder Hintergrund/ Analyse vorliegender Problemstellung → Zusammenführung

Abwechselnde Arbeitsphasen
Input → Chatgewitter/ Pause → Pause/ Auswertung → Ergebnispräsentation
Input → Pause/ Fragen sammeln → Antworten recherchieren/ Pause → Zusammenführung

Battilana, Julie & Lee, Matthew (2014). Advancing Research on Hybrid Organizing. The Academy of Management Annals 8(1), 397-441, p. 400. DOI: 10.1080/19416520.2014.893615

Bower, Matt; Dalgarno, Barney; Kennedy, Gregor; Lee, Mark J. W. & Kenney, Jacqueline (2014). Blended Synchronous Learning - A Handbook for Educators. http://blendsync.org/handbook/ [Letzter Zugriff: 11.08.2022]

Gumm, Dorina & Hobuß, Steffi (2021). Hybride Lehre - Eine Taxonomie zur Verständigung. Impact Free - Journal für freie Bildungswissenschaftler 38. Zum Artikel...

Hastie, Megan, Hung, I-Chun, Chen, Nian-Shing & Kinshuk (2010). A blended synchronous learning model for educational international collaboration. Innovations in Education and Teaching International 47(1), 9–24. DOI 10.1080/02188791.2020.1766417

Zydney, Janet Mannheimer; McKimmy, Paul; Lindberg, Rachel & Schmidt Matthew (2019). Here or There Instruction: Lessons Learned in Implementing Innovative Approaches to Blended Synchronous Learning. TechTrends 63, 123–132. DOI: 10.1007/s11528-018-0344-z

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  • Zuletzt geändert: 2022/08/26 08:49
  • von Barbara Meissner